
Halal Kosmetik – mehr als nur ein Trend?
Halal Kosmetik - mehr als nur ein Trend?
“Mit mehr als 1.7. Milliarden Anhängern ist der Islam die zweitgrößte Religion der Welt.”
auch in Deutschland leben zwischen vier und fünf Millionen Muslime, was etwa fünf Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Das hat zur Folge, dass Muslime sich eine eigene Infrastruktur geschaffen haben: So gehören Lebensmittelhändler , muslimische Restaurants, Geschäfte mit islamisch angemessener Kleidung, Friseure, die auf die Bedürfnisse Kopftuch tragender Frauen eingehen, und Metzgereien, die geschächtetes Fleisch anbieten, mittlerweile zum Gesamtbild der meisten deutschen Städte.
Halal und haram: Zwei Seiten derselben Medaille
Das islamische Rechtssystem kennt fünf Einstufungen menschlichen Tuns: religiöse Verpflichtungen sowie empfohlene, erlaubte, unerwünschte und verbotene Handlungen. Die arabischen Wörter halal und haram lassen sich vereinfacht mit „erlaubt“ und „verboten“ übersetzen. Häufig aber nicht ausschließlich werden sie im Zusammenhang mit Nahrungsmitteln verwendet.
Während es für viele Musliminnen zur zweiten Natur geworden ist, bei ihrer Nahrung auf halale Lebensmittel zurückzugreifen und als haram betrachtete Zutaten zu vermeiden, gilt der verwendeten Kosmetik oft nur ein Nachgedanke. Dabei enthalten konventionelle Kosmetika jede Menge Zutaten, die nicht dem islamischen Verständnis von Halal Kosmetik entsprechen: In der Kosmetikindustrie verwendete Gelatine, Kollagen und Keratin werden fast ausschließlich vom Schwein gewonnen, das im Islam als unrein gilt. Schweinefleisch und andere vom Schwein gewonnene Produkte dürfen darum nicht verzehrt werden. Auch Alkohol gilt als unreine Substanz, deren Genuss je nach Auslegung sogar das Gebet ungültig machen kann. Sowohl dekorative Kosmetik als auch Hautpflege enthalten jedoch häufig Alkohol. Alle diese Stoffe können, obwohl sie natürlich nicht zum Verzehr gedacht sind, über die Haut absorbiert werden. Dies kann je nach religiöser Auslegung ein Problem darstellen.
Praktizierende Musliminnen stehen aber noch vor einem weiteren Problem: Das Ritualgebet, das fünf Mal täglich durchgeführt werden soll, macht eine rituelle Reinigung,wudhu, notwendig. Wasserfeste Kosmetik, handelsüblicher Nagellack und besonders haltbare Produkte wie beispielsweise silikonbasierte oder bienenwachshaltige Primer, die die Haut optimal auf das Auftragen von Foundation vorbereiten und die Haltbarkeit des Make-ups verlängern sollen, verhindern eine unter religiösen Gesichtspunkten angemessene Reinigung. So kann selbst vegane, alkoholfreie Kosmetik zwar aus auschließlich islamkonformen Zutaten bestehen, aber trotzdem nicht den Ansprüchen an Halal Kosmetik genügen: Sie muss sowohl aus den geeigneten Zutaten hergestellt als auch den praktischen Anforderungen der Religion gewachsen sein.
Ein Nischenprodukt auf dem Vormarsch
Auch die Kosmetikindustrie ist wie jede Branche Trends unterworfen. Waren vor wenigen Jahren noch Naturkosmetik, Fair Trade und vegane Produkte die gefragtesten Neuerungen, ist nun Halal Kosmetik auf dem Vormarsch.
Wirtschaftsprognostiker sagen dem Halalsektor in der Kosmetikindustrie ein Wachstum von 15% über die nächsten fünf Jahre voraus, da zum einen das Bewusstsein für kosmetische Inhaltsstoffe wächst und zum anderen mehr und bessere Produkte einfacher erhältlich sind. Auch sind Käufer bereit, mehr Geld für qualitativ hochwertige Halal Kosmetik auszugeben. Langsam nehmen auch nichtmuslimische Marken Notiz von einer nicht unwesentlichen Käufergruppe, die bis dato unter dem Radar geflogen ist. Eine vom Medienkonzern Thomson Reuters 2015 veröffentlichte Studie zum Kaufverhalten in arabischen Ländern benennt die von muslimischen Käufern für Kosmetikprodukte ausgegebene Summe mit 2 Milliarden Dollar; es wird erwartet, dass dieser Betrag sich vorrausichtlich bis 2019 auf 3.7 Milliarden Dollar erhöhen und somit fast verdoppeln wird. Mit diesen Zahlen vor Augen ist es kein Wunder, dass nun auch konventionelle Kosmetikhersteller diesen lukrativen Markt für sich entdecken wollen.
So hat beispielsweise die polnische Marke Inglot, in Deutschland besonders bekannt und beliebt für ihr riesiges Angebot an preisgünstigen Lidschatten in unzähligen Farben und Texturen, einen Nagellack entwickelt, der sowohl sauerstoff- als auch wasserdurchlässig ist. Waren gläubige Musliminnen bisher gezwungen, ihren Nagellack vor der Gebetswaschung zu entfernen – bei fünf Gebeten am Tag schlicht nicht praktikabel – erreicht das Wasser dank der neuen Formel nun die Nagelplatte. Auch die Kosmetik-Riesen BASF und L’Oreal haben damit begonnen, sich einzelne Zutaten und Produkte zertifizieren zu lassen.
Aber nicht nur neue Technologien werden zur Entwicklung von islamkonformer Kosmetik genutzt. So besinnt man sich beispielsweise bei der Parfümherstellung – handelsübliche Parfüms enthalten meistens Alkohol – auf die jahrhundertealte arabische Tradition der Parfümöle, die den Duftstoff in Pflanzenöl löst, welches auch dafür sorgt, dass sich der Duft lange auf der Haut hält. Derartige Parfüms sind sowohl in fester als auch flüssiger Form erhältlich.

Strenge Auflagen: Das Halalsiegel
Islamisch unbedenkliche Lebensmittel werden gerne mit einem Halalsiegel gekennzeichnet, das dem Konsumenten suggerieren soll, dass er bedenkenlos zugreifen kann: Der Anbieter verpflichtet sich, zu garantieren, dass nur korrekt verarbeitete Lebensmittel aus unbedenklichen Produkten das Siegel erhalten. Diese Halalsiegel sind aber weder einheitlich noch zentral organisiert. Ähnlich verhält es sich mit der Zertifizierung von Halal Kosmetik: Selbst in muslimischen Länder haben die Kosmetikunternehmen oft ein eigenes System.
Die in Dubai ansässige Kosmetikfirma OnePure beispielsweise verwendet ein System zur Zertifizierung ihrer Produkte, die an den Prozess erinnert, den Lebensmittel durchlaufen, die halalzertifiziert werden sollen. OnePure konsultiert einen islamischen Geistlichen, der die verwendeten Rohstoffe und den Herstellungsprozess überprüft, bevor er die Produkte freigibt. Das deutsche Unternehmen al balsam geht noch einen Schritt weiter: Unter dem Motto „Halal und fair“ verpflichtet sich das Unternehmen, zusätzlich zu den üblichen Anforderungen für Halal Kosmetik – keine Verwendung von verbotenen tierischen Inhaltsstoffen, keine Verwendung unreiner Substanzen, keine Berührungspunkte mit unreinen Substanzen während der Produktion, keine Verwendung aliphatischer Alkohole und bestrahlter Rohstoffe – auf Tierversuche zu verzichten, keine synthetischen Farb- und Duftstoffe, Silikone oder Erdölprodukte zu verwenden, Zulieferer fair zu bezahlen und auf CO²-neutrale Herstellung und recyclebare Verpackung zu achten. al balsam hält es für eine islamische Pflicht, sorgsam mit der Umwelt, unseren Mitgeschöpfen und Mitmenschen umzugehen und versucht das im eigenen Unternehmen weitestgehend umzusetzen.
Dies ist übrigens auch der Grund, warum islamischen Richtlinien entsprechende Kosmetik mittlerweile auch unter nichtmuslimischen Käuferinnen Absatz findet: Die strengen Richtlinien sorgen dafür, dass tendenziell eher hochwertige Inhaltsstoffe verwendet werden, die zudem oft biozertifiziert, vegan und tierversuchsfrei sind sowie Fair-Trade-Bestimmungen entsprechen.
Islamkonforme Kosmetik: Kein kurzlebiger Trend
Trotz des steigenden Interesses an Halal Kosmetik wird es schwer fallen, das Halalsiegel auf herkömmlicher Kosmetik in deutschen Drogerien und Parfümerien zu entdecken. Die Anfänge des den Islam entsprechenden Kosmetiksektors liegen in Nischen- und Boutiquemarken wie beispielsweise das in New York ansässige Label Glow by Claudia Nour. Gründerin Claudia Cruz hatte nach ihrer Konvertierung zum Islam keine Kosmetikprodukte finden können, die ihrem neu gewonnenen Ethikverständnis entsprachen. So machte sie es kurzerhand zu ihrer Mission, diese Produkte herzustellen. Wie so oft, kommt interessierten Käuferinnen das Internet zur Hilfe. So führt beispielsweise die bekannte Parfümeriekette Douglas in ihrem Online-Shop die in Australien beheimatete Marke INIKA, die bio- und halalzertifiziertes, veganes Mineral Make-up anbietet. Der Naturkosmetikanbieter Ecco Verde vertreibt Paul Penders, eine halalzertifizierte Naturkosmetikmarke aus den Niederlanden.
Auch deutsche Marken erschließen sich den Markt. Das aus Frankfurt stammende Unternehmen Beautylope besticht neben veganer, allergenarmer Kosmetik besonders durch seine Kollektion gebetsfreundlicher Nagellacke. Der Dortmunder Hersteller al balsam bietet keine dekorative Kosmetik an, sondern konzentriert sich auf Gesichts-, Körper- und Haarpflege. Und schließlich haben auch immer mehr Marken, die es nicht in das Sortiment eines größeren Anbieters geschafft haben, eine eigene deutsche Onlinepräsenz. So kann man bequem vom eigenen Sofa aus das Angebot von PHB Ethical Beauty oder ZUII browsen und sich nach Hause schicken lassen.
Wer über eine Kreditkarte oder zumindest einen PayPal-Account verfügt, kann sich auch problemlos Produkte aus den USA, Dubai und Großbritannien zusenden lassen, wo der Trend zur islamkonformen Kosmetik ebenfalls boomt. Glow by Claudia Nour, das kalifornische Amara Halal Cosmetics, das britische Unternehmen The Halal Cosmetics Company oder die französische Firma Khadija Cosmetics versenden alle nach Deutschland. Hier muss allerdings beachtet werden, dass bei Lieferungen aus Nicht-EU-Ländern Einfuhrumsatzsteuer und Zollgebühren anfallen können, je nach Wert der Bestellung.
UNSER FAZIT
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Zusammenfassung Halal-Kosmetik ist, auf Grund der stetig steigenden Nachfrage, auch bei uns in Deutschland als nachhaltiger Trend zu bezeichnen. Die Kosmetikindustrie hat das bereits erkannt und das Sortiment dauerhaft erweitert.
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